Fotoarchiv Hansestadt Lübeck

Die Spanien-Mission der Hansestädte 1607

„ … und wurden am neunundzwanzigsten Januar nächsten Jahres von König Henri empfangen.“ Die Spanien-Mission der Hansestädte in Heinrich Manns Königsroman – historische Quellen und literarische Gestaltung, in: Heinrich-Mann-Jahrbuch 2021, Seite 11-22

Im Herbst 1925 hat Heinrich Mann entschieden, einen Roman über den französischen König Henri IV. (1553−1610) zu schreiben. Nach einem Besuch in dessen Heimatschloss in Pau am Rande der Pyrenäen begann eine Zeit, in der der Autor als ständig umgeben mit einer Schubkarre voller Bücher beschmunzelt wurde. 1933 erschien der erste, 1938 der zweite Band seines Königsroman Die Jugend und die Vollendung des Königs Henri Quatre. Die zugezogenen literarischen, historiographischen und bildlichen Quellen und die Art des Umgangs mit ihnen gehörte jahrzehntelang zu den Hauptaufgaben der Henri Quatre-Philologie. Hadwig Kirchner-Klemperer (1957) und Ekkehard Blattmann (1972 bis 1997) leisteten Pionierarbeit.[1] Kein geschichtlicher Beleg fand sich für eines der zentralen Kapitel im zweiten Teil des Romans. Beim Empfang der Lübecker Spanien-Gesandtschaft im Louvre werden die Gesandten der Hansestädte, und ausschließlich sie, zu Botschaftern, zu Multiplikatoren des Großen Plans des Königs, einen europäischen Völkerbund zu gründen, um ein friedliches Europa zu schaffen. Es ist in der Forschung vermutet worden, Heinrich Mann habe die Romanszene erfunden, möglicherweise aus Gründen des ihn immer stärker bedrückenden Heimwehs.[2]

Der folgende Beitrag präsentiert die historischen Quellen, die belegen, dass es 1606/07 eine Gesandtschaft der Hansestädte, geführt von Lübeck, nach Spanien gab, die sogenannte Spanien-Mission. Aufgezeigt wird auch, dass Heinrich Mann den geschichtlichen Stoff wahrscheinlich im Unterricht vermittelt bekam durch den wohl bedeutendsten Geschichtslehrer am Katharineum im 19. Jahrhundert, Max Hoffmann.[3]

Weder die Lübeck- noch die Hansehistoriographie haben sich bisher (nach meinem gegenwärtigem Wissen) mit der Verknüpfung von geschichtlicher Wirklichkeit, Geschichtsschreibung und literarischer Fiktion im Henri Quatre beschäftigt. Der jetzt möglichen Diskussion darüber, welcher Stellenwert den zugänglich gemachten Quellen für das Verständnis von Romanwerk und Biographie Heinrich Manns zukommen könnte, soll durch den Beitrag ein Anstoß gegeben werden.

[1] Kirchner-Klemperer, Hadwig, Heinrich Manns Roman „Die Jugend und die Vollendung des Königs Henri Quatre“ im Verhältnis zu seinen Quellen und Vorlagen, o. O., 1957, auch: Berlin, Humboldt-Universität, Phil. F., Diss. v. 7. Mai 1957; Blattmann, Ekkehard, Henri Quatre Salvator. Studien und Quellen zu Heinrich Manns „Henri Quatre“, Bd. 1 und 2 Freiburg i. Br., Becksmann., 1972, Bd. 3 Frankfurt a. M. , Peter Lang, 1993; Ders. Heinrich Mann, Die Bildvorlagen zum Henri Quatre-Roman, Frankfurt a. M., Peter Lang, 1997.

[2] Flügge, Manfred, Traumland und Zuflucht. Heinrich Mann und Frankreich, Berlin, Insel, 2013, S. 150,

»Im Jahre 1604 hat Henri IV. die französischen Privilegien Lübecks in Frankreich bestätigt, (…). Eine eigene Delegation war dafür nicht nötig. Heinrich Mann hat eine solche Episode erdichtet. (…) Bei einer Begegnung im Pariser Hotel Lutetia Ende der dreißiger Jahre sprach Heinrich Mann (..) mit Willy Brand (…) und suchte in Gedanken die Stadt auf, aus der er stammte. Die Tränen kamen ihm in die Augen, als er sagt: ‚Die sieben Türme werden wir wohl nicht mehr sehen.‘(…) Wer weiß, ob diese flüchtige Begegnung nicht die indirekte Heimat-Szene im Königsroman inspiriert hat.«

[3] Vaterstädtische Blätter. Neues und Altes aus Lübeck. Illustrierte Unterhaltungsbeilage der Lübeckischen Anzeigen, Jg. 1910, S. 89, Nr. 23, 5. Juni 1910, Nachruf auf. Prof. Dr. Max Hoffmann.