Eugénie oder die Bürgerzeit (1928)
Titel
Eugénie oder die Bürgerzeit (1928): Ein Lübeckroman als modernes Märchen? Heinrich Mann besichtigt die Herkunft. In: Das Gedächtnis der Hansestadt Lübeck. Festschrift für Antjekatrin Grassmann. Hrsg. von Rolf Hammel-Kiesow und Michael Hundt. Lübeck: Verlag Schmidt-Römhild 2005, S. 231-245.
Einführung
„Heinrich Pidohn“ wohnt vor dem „Burgtor“ und ist Nachbar von „Konsul Jürgen West“, einem Kaufmann, Getreidehändler aus alter Familie, gut beleumundet, Mitglied der Bürgerschaft und Inhaber zahlreicher Ehrenämter. Sowohl der Konsul als auch seine Frau „Gabriele“ lassen sich auf je eigene Weise in gefährliche Händel mit dem neuen Nachbarn ein; „Jürgen West“ geschäftlich, „Gabriele“ als Frau. Der Konsul und mit ihm die Kaufmannschaft, wittern in „Pidohn’s“ Aktivitäten unerhörte Gewinne und finanzieren seine Unternehmungen. Er gilt bereits als „der kommende große Mann der Stadt“. „Gabriele“, erschrocken, fasziniert und wie gebannt, erliegt der Ausstrahlung des Mannes; für sie eine Mischung aus Unglücksmensch und Abenteurer und begleitet ihn bei einer Kutschfahrt nach „Suturp“, einem Fischerdorf an der Ostsee. „Pidohns“ Jacht liegt draußen in der Bucht und „Gabriele“ träumt von einer gemeinsamen Flucht aus der bürgerlichen Enge in eine Welt unbekannter, lockender Gefahren. „Professor von Heines“, „Herold des neuen Reiches“, hoch geehrt in der Stadt und zugleich belächelt wegen seiner pathetischen Rhetorik und Gestik, erkennt bei einem zufällig-ersten Aufenthalt in der Villa der „West’s“ sofort die Gefahr, in der die Familie, vor allem jedoch „Gabriele West“ sich befindet.
Heinrich Mann hat bei Konsul West und seiner schönen Frau Gabriele an seine Eltern in den ersten Jahre ihrer Ehe gedacht. Und tatsächlich gab es zu Beginn der 1870er Jahre eine Bankenkrise in Lübeck, in die der Vater der Dichterbrüder Heinrich und Thomas Mann aktiv verwickelt war.